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Der Rhetor als Philosoph – Cicero als Zeuge philosophischen Gottesglaubens in den Schriften Peter Abaelards

 

Matthias Perkams
mt.perkams@gmx.de
Friedrich Schiller-Universität Jena
Institut für Altertumswissenschaft

 

I. Problemstellung

Das Thema «Abaelard und Cicero» ist kein völlig unbearbeitetes Forschungsgebiet. Die vielfältigen Einflüsse des lateinischen Rhetors auf den Peripateticus palatinus sind bereits in einem langen Artikel von G. D’Anna untersucht worden. [1] Ihr Ergebnis ist, dass Abaelard (1079-1142) von den Schriften Ciceros nur sein rhetorisches Jugendwerk De inventione oratorica geschlossen kannte. Außerdem verfügte er noch über Kenntnisse der pseudo-ciceronianischen Rhetorica ad Herennium, für ihn ein Werk Ciceros, und von dem berühmten Dialog Laelius de amicitia, den Abaelard aber nur in seinem Carmen ad Astralabium filium als ganzes verwendete. Vor dieser Schrift, die nach D’Anna ein Spätwerk des Autors darstellt, sei bei Abaelard nur ein Zitat aus dem Laelius nachzuweisen. Wie alle übrigen Cicero-Zitate Abaelards ginge auch dieser Auszug wohl auf indirekte Überlieferung, etwa in Florilegien, zurück.

Diese Ergebnisse lassen sich durch eine Nachsuche in Abaelards Schriften unschwer bestätigen. Da D’Anna die Cicero-Zitate bei Abaelard genau auflistet, erübrigt es sich, diese hier noch einmal einzeln aufzuzählen. Das Thema Abaelard und Cicero soll daher im Folgenden unter einer anderen Fragestellung bearbeitet werden, die in D’Annas Untersuchung noch nicht hinreichend deutlich wird. Dabei geht es um den Gebrauch, den Abaelard von den Cicero-Texten macht, und um den philosophischen Ertrag, den er aus dieser Auseinandersetzung gewinnt.

Dabei sollen zwei Schwierigkeiten von vornherein vermieden werden, die bei D’Annas Untersuchung festzustellen sind: Zum einen sucht die Autorin für viele Abaelard-Stellen, die dieser aus christlichen Autoren entnimmt, den ciceronianischen Ursprung auf. Das trifft aber weder Abaelards Absicht, der ja z.B. Augustinus zitieren will, noch die historische Situation, da Cicero ja auch nur ein Überlieferer von Positionen war, die bei zahlreichen lateinischen Schriftstellern allgemeines, ursprünglich meist stoischer Philosophie entnommenes Bildungsgut sind. Zum anderen wird Abaelards Werk von D’Anna, wie schon J. Marenbon bemerkte, [2] als eine Art Flickenteppich aus verschiedenen Zitaten präsentiert, wobei die Eigenständigkeit und Originalität Abaelards beim Aufbau seines eigenen Systems [3] eher aus dem Blick gerät.

Daher beschränke ich mich auf zwei ausgewählte Themen, in denen Abaelard an zentraler Stelle direkt und absichtlich auf Cicero Bezug nimmt, nämlich die Anführung von Texten des Rhetors als heidnisches Zeugnis rationaler Gotteserkenntnis und die Nutzung eines Zitats aus De officiis, von dem Abaelard an verschiedenen Stellen einen unterschiedlichen (aber keinen widersprüchlichen) Gebrauch macht. Hierbei ergibt sich die Möglichkeit, zusammen mit den Erörterungen zu Abaelards Cicero-Umgang auf einige philosophisch und theologisch interessante Thesen hinzuweisen, die bisher in der Forschung wenig beachtet werden. Vor der Untersuchung der Einzeltexte soll zunächst vorgestellt werden, was Abaelard selbst über Cicero zu sagen hat.

II. Die Bedeutung Ciceros für Abaelard

Abaelard standen für sein Wissen über Cicero verschiedene Quellen zur Verfügung: Da ist zum einen seine eigene Kenntnis der Werke des Rhetors zu erwähnen, die freilich, wie D’Anna gezeigt hat, nicht zu breit anzusetzen ist. Seine Kenntnis über die Person Ciceros ruhte auf weiteren schriftlichen Quellen, insbesondere Nachrichten, die in Augustinus’ De civitate Dei und anderen Schriften des Kirchenlehrers erhalten waren. Als weitere Quelle muss die allgemeine Hochschätzung des Rhetors im 12. Jahrhundert gelten, die ein Cicerobild entwickelte, das von unserem nicht wenig verschieden ist; insbesondere kam Cicero hier als ein Philosoph in den Blick, dessen Werke bereits im Grammatikunterricht viel gelesen wurden und daher den Autoren des 12. Jahrhunderts schon früh vertraut waren.

Anhand dieser Quellen konnte sich Abaelard kaum ein klares Bild von Person und Werk des historischen Cicero bilden, doch flößen sie ihm immerhin eine beträchtliche Hochachtung ein, die ihn zu der Eloge «jener größte der lateinischen Philosophen, Tullius» [4] bringt. Wenn Abaelard Cicero als Philosophen qualifiziert, reiht er ihn jedenfalls unter die vorbildlichen Heiden ein, die er namentlich im Zweiten Buch seiner Theologia christiana ausdrücklich lobt. [5]

III. Cicero als Gotteszeuge

a) Theologia ,Summi boni’

Wie alle Philosophen, deren Schriften Abaelard direkt kennt (und das sind nicht allzu viele), führt er auch Cicero als Zeugen für den christlichen Glauben an. Eine erste bemerkenswerte Stelle zu diesem Thema findet sich im Ersten Buch der ersten Version von Abaelards Hauptwerk Theologia, der Theologia ‚Summi boni’:

Tullius, einer von ihnen (sc. den Philosophen) bestätigt, dass sie in der Tat nur einen Gott kennen: , Diejenigen, welche Mühe auf die Philosophie verwenden, glauben nicht, dass es Götter gibt’. Er meint: Ja gewiss glauben sie, dass es einen Gott gibt, nicht mehrere Götter. [6]

Überflüssig zu sagen, dass Abaelard hier mit seiner Interpretation gründlich daneben liegt – Cicero, bzw. die griechische Quelle, aus der er diesen Satz übernimmt, [7] behauptet nicht, dass Philosophen dazu tendieren, an einen Gott zu glauben anstatt an viele, sondern dass sie an gar keinen glauben. Der Text bietet jedoch noch einige weitere Anhaltspunkte, die für den Umgang Abaelards mit Cicero aufschlussreich sind: Zunächst einmal wird Cicero wieder als Philosoph angeführt, obwohl der Kontext, aus dem Abaelard das Zitat entnimmt, auch hier völlig rhetorisch ist. Entsprechend der Einschätzung Ciceros eines Philosophen wertet Abaelard die angeführte Aussage als dessen persönliche Ansicht zum Thema. Dass hier größere Vorsicht angebracht wäre, lehrt ein Blick auf den zugrundeliegenden Cicero-Text. Hier heißt es im Rahmen der Unterscheidung notwendiger und wahrscheinlicher Argumentationen:

Wahrscheinlich aber ist das, was entweder gewöhnlich zu geschehen pflegt oder was in die Meinung gestellt ist oder was in sich eine gewisse Ähnlichkeit zu diesen beiden hat, unabhängig davon, ob es wahr oder falsch ist. Zu der Gattung, was gewöhnlich zu geschehen pflegt, gehört ein Wahrscheinliches dieser Art: ,Wenn sie eine Mutter ist, liebt sie ihren Sohn; wenn er habgierig ist, beachtet er den Eid nicht’. Zu der Gattung, was in die freie Meinungsbildung gestellt ist, gehört Wahrscheinliches dieser Art: dass für die Frevler in der Unterwelt Strafen bereitet sind; dass diejenigen, welche Mühe auf die Philosophie verwenden, nicht glauben, dass es Götter gibt. [8]

Bei Cicero wird die Ablehnung des Polytheismus durch die Philosophen also lediglich als Beispiel für einen bestimmten Topos genommen. Abaelard, der ähnliche Passagen aus De inventione im Rahmen seiner eigenen Kommentierung von Boethius’ Topik lang und breit paraphrasiert, [9] sollte sich darüber klar sein, dass aus dieser Passage über Ciceros eigene Meinung nicht viel zu entnehmen ist. Immerhin fordert er selbst in der Einleitung zum Sic et Non, bei einer Textinterpretation zu prüfen, ob die jeweiligen Autoren «diese Aussage eher entsprechend der Meinung anderer als entsprechend ihrer eigenen gemacht haben» [10] . Abaelard selbst lässt sich von derlei methodischen Bedenken jedoch hier nicht bekümmern und macht von dem zitierten Satz den Gebrauch, den er für den richtigen hält bzw. den er in seinem Kontext gerade benötigt.

b) Ein rhetorisches Beispiel als Gottesbeweis in der Theologia christiana

Eine wesentlich größere Bedeutung für Abaelards Gotteslehre als die gerade diskutierte Randbemerkung hat ein Cicero-Zitat, das er zu Beginn des Fünften Buches der Theologia christiana anführt. Dieses Fünfte Buch stellt die bedeutendste Veränderung dar, die Abaelard an dem Gesamtkonzept seiner Theologia vornimmt, wenn er die Theologia ,Summi boni’ zur Theologia christiana erweitert; die betreffenden Kapitel bleiben auch dann erhalten, wenn Abaelard die Theologia christiana zur Theologia ,Scholarium’ umwandelt und dabei das Fünfte Buch (bzw. das Dritte der Theologia ,Scholarium’) einer gründlichen Revision unterzieht. Ziel dieses neuen Buches ist es, nach der Verteidigung des christlichen Glaubens in den ersten Büchern der Theologia wichtige Fragen der Gotteslehre zu durchdenken, die weniger zur Verteidigung als zur Vertiefung des christlichen Glaubens beitragen. [11]

Das erste Thema ist «die Diskussion über die Vernünftigkeit, an einen Gott zu glauben, und das, was sich darauf bezieht, eher an einen als an mehrere zu glauben», [12] und von hier ergibt sich unmittelbar die erste Frage, ob Gott mit der menschlichen Vernunft erforschbar ist. Abaelard antwortet klar positiv – wie sollte gerade die Vernunft, in der der Mensch Abbild Gottes ist, das ihr Nächstliegende, Gott, nicht erkennen können? [13]

Die folgenden Abschnitte kann man ohne weiteres als Abaelards Gottesbeweis bezeichnen: Auf der Grundlage biblischer und antiker Zitate entwickelt er seine eigene Ansicht darüber, warum der Gottesglaube zu den Grunddaten der menschlichen Vernunft gehört. Wenn ich im Folgenden seinen Gedankengang kurz nachzeichne, wird auch die Rolle deutlich, die Cicero bei dieser Entwicklung spielt.

Zunächst verweist Abaelard auf biblische Autoritäten, nämlich auf Paulus in Röm 1, 18-21 («Was von Gott bekannt ist, ist an ihnen deutlich geworden» [14] ) und auf Salomo nach Weish 13, 9 («Wenn sie doch soviel wissen konnten, dass sie die Welt wahrnahmen, warum fanden sie dann den Gott und Schöpfer der Welt nicht noch leichter?» [15] ), aus denen er schließt, dass eine natürliche Gotteserkenntnis aus theologischen Gründen nötig sein muss. Dann fährt er fort:

Das beachtete auch Tullius, der größte der lateinischen Philosophen – als er erkannt hat, dass die Welt nicht nur bestmöglich geschaffen ist, sondern auch bestmöglich regiert wird, bestätigt er, dass das eher aus Vorhersehung als aus Zufall geschieht – und legte uns seine Vernunfterkenntnis darüber wie auch die der anderen Philosophen dar. [16]

An dieser Einleitung fällt zunächst das gleiche Faktum auf, das bereits in der Theologia ,Summi boni’ hervortrat: Ciceros Aussagen stehen nicht nur für seine eigene Meinung, sondern er gibt «seine Vernunfterkenntnis darüber wie auch die der anderen Philosophen» wieder. Hier zeigt sich ein typischer Zug von Abaelards Behandlung der antiken Philosophie: Genauso wie er Christentum und Judentum als eine Einheit ansieht, so tut er es auch mit den Philosophen. Abaelard, der nie eine Diskussion über religiöse Fragen auf rein philosophischer Basis erlebt haben dürfte, stellt sich die Philosophie als eine genauso einheitliche Lehre vor, wie die christliche Religion eine darstellt. Welche systematische Erkenntnis verdankt er nun dem «größten der lateinischen Philosophen»?

Auf die Einleitung folgt das ausführlichste Cicero-Zitat in den erhaltenen Werken Abaelards, mit dem er eine komplette Argumentationskette aus De inventione oratorica wiedergibt [17] : Was mit Überlegung (consilio) getan wird, ist besser organisiert, als das, was ohne Überlegung getan wird. Besser als alles andere ist aber offensichtlich die Welt organisiert, wie an dem perfekten Ablauf der Gestirne und der Jahresläufe zu erkennen ist, die «nicht nur aus einer gewissen Notwendigkeit immer auf die gleiche Weise ablaufen, sondern auch an das Nützliche für alle Dinge angepasst sind» [18] . Daraus folgt, dass die Welt notwendigerweise mit Überlegung bzw. nach einem genau durchdachten Plan organisiert ist. Gestützt wird das Cicero-Zitat dann noch durch ein kurzes Zitat aus Platons Timaios (in der Übersetzung des Chalcidius): «Es geschieht nichts, dessen Entstehung nicht eine gerechtfertigte Ursache und ein Vernunftgrund vorhergeht.» [19] Diesen Satz unterstreicht Abaelard – entsprechend seinen Ausführungen in den Collationes [20] – noch einmal mit dem Hinweis, dass das natürlich für einen Plan Gottes gilt, der den Menschen nicht bekannt ist.

Nach dieser philosophisch-traditionsgestützten Begründung fährt Abaelard mit einem eigenen Abschnitt fort, der die systematische Konsequenz aus diesen Erläuterungen für die anfangs angeschnittene Gottesfrage zieht. Der entscheidende Satz lautet:

Das aber, wodurch alles bestmöglich geschieht und mit Überlegung angeordnet wird, nennen die einen nach ihrer Gewohnheit Gott, die anderen die Natur der Dinge, wieder andere den Verstand oder die Seele der Welt, alle haben aber erkannt, dass es das Höchste Gut ist. [21]

Hier ist nicht der Ort, auf die Implikationen dieser Ineinssetzung eines christlichen und eines philosophischen Gottesbildes näher einzugehen, die zu den am modernsten anmutenden Aussagen Abaelards gehört. [22] Trotzdem sei auf seine bemerkenswerte Methodik hingewiesen, einen Gottesbegriff, der von verschiedener Seite aus verschiedenen Überlegungen heraus entwickelt wurde, als das Höchste Gut (summum bonum) zu klassifizieren [23] und den christlichen Gott mit dieser philosophischen Entdeckung zu identifizieren. Hier findet sich der Ansatzpunkt für Abaelards Theologie, die ihren Gottesbegriff aus dem allgemein verbreiteten Bemühen der Menschen um eine gute Lebensführung gewinnt. [24]

Es ist deutlich, dass der Schluss auf einen Weltschöpfer eine Konsequenz aus dem von Cicero vorgestellten Gedankengang ist, der aus der Ordnung der Welt auf einen ihr zugrunde liegenden Plan schließt; der Christ Abaelard braucht diese Feststellung nur auf den Monotheismus zu beziehen und mit dem christlichen Gottesbild zu verbinden, um das Ganze in einen christlichen Gottesbeweis umzuwandeln. Allerdings gibt er sich mit diesem Vorgehen nicht zufrieden und schließt einen Gottesbeweis aus eigener philosophischer Reflexion an. Er folgert aus dem Wissen des Menschen, nicht von sich selbst geschaffen bzw. von sich selbst geleitet zu sein, darauf, dass eine solche Selbständigkeit noch viel weniger von Wesen ausgesagt werden darf, die nicht vernunftbegabt und daher noch weniger selbständig sind als der Mensch. Daher kann die nicht vernunftbegabte Natur nicht ungeschaffen sein, wenn der Mensch geschaffen ist, und für die Welt als ganze muss ein Schöpfer außerhalb ihrer angenommen werden. [25]

Für die Frage nach der Bedeutung Ciceros für Abaelard lassen sich die Relevanz und die Grenzen der Bezugnahme auf den klassischen Autor leicht aufzeigen: Einerseits stellt Abaelard sich ganz bewusst in die Nachfolge Ciceros und zeigt das durch das lange Zitat auch sehr deutlich. Zugleich bemüht er sich, Ciceros Konzept mit den übrigen von ihm aufgenommenen Traditionen zu verbinden. Diese Harmonisierung geschieht jedoch auf dem Hintergrund von Abaelards eigenen Gedanken, die damit das Grundgerüst bilden, in das die verschiedenen Belege eingerarbeitet werden. Den Quellen kommt also nur insofern Bedeutung zu, als sie Abaelards eigene Philosophie belegen und stützen können. Dieses Überwiegen einer eigenständigen Systematik über die Aussage der Quellen zeigt sich auch daran, dass Abaelard neben der Berufung auf normative Texte gleichberechtigt einen selbständigen Gedankengang über Gottes Existenz setzt, wenn ihm keine geeigneten Texte zur Stützung seiner Annahmen vorliegen.

Auch der philologische Umgang Abaelards mit dem ciceronianischen Text spricht für diese Annahme: Wie schon gesagt, zitiert Abaelard wörtlich einen längeren Abschnitt aus De inventione oratorica. Dabei beschränkt er sich allerdings auf den Text des von Cicero angeführten Argumentationsbeispiels und lässt die Zwischenbemerkungen des Rhetoriklehrers aus, in denen dieser die Beispielfunktion des Gedankenganges als rhetorisches Argument erklärt. Stattdessen fügt Abaelard eigene kurze Erläuterungen ein, die in einem bemerkenswerten Verhältnis zu Ciceros Text stehen: Abaelard stellt die Argumentation als syllogistischen Gedankengang dar [26] und entfernt sich damit ganz offen von Ciceros eigenem Gebrauch des angeführten Beispiels. Denn dieser möchte anhand des Argumentationsgangs zur bestmöglichen Weltordnung zeigen, warum man eine solche Überlegung besser in fünf Schritte gliedert (hinter dem Obersatz [propositio] und dem Untersatz [assumptio] ist noch jeweils eine Bestätigung [approbatio] einzufügen, bevor eine Folgerung [complexio] gezogen werden kann), [27] während für Abaelard die drei Grundschritte des Syllogismus vollkommen ausreichen, um die Gedankenfolge zu erklären.

Es kann kein Zweifel bestehen, dass Abaelard diese Änderung ganz bewusst vorgenommen hat – das zeigt sich schon daran, dass er Ciceros Einschübe überhaupt durch eigene ersetzt hat; sachlich ist der Gegensatz zwischen dem lebenslangen Logiker Abaelard, der nur an der Folgerichtigkeit der Schlüsse interessiert ist, und dem Rhetor Cicero, dem es auf eine nachvollziehbare und überzeugende Argumentation ankommt, ohnehin leicht nachzuvollziehen. Bemerkenswert daran ist, dass Abaelard die Aspekte seiner Quelle, die nicht zu seinen eigenen Vorstellungen passen, nicht nur nicht zitiert, sondern en passant in ihr Gegenteil verkehrt. Dass er die Unterschiede in seinem Text gar nicht erwähnt, mag man noch damit erklären, dass Argumentationsstrukturen gar nicht Thema des betreffenden Abschnitts sind. Trotzdem bestätigt sich auch in diesem Punkt, dass Abaelard sich für seine Quelle nur insoweit interessiert, als sie inhaltlich mit seinen eigenen Ansichten übereinstimmt – wo sie das nicht tut, werden fehlende Konsequenzen ergänzt, und Eigenheiten der Quelle, die der eigenen Vorstellung widersprechen, werden ohne weiteres verschwiegen.

c) Eine Variation im Römerbriefkommentar

Ein weiteres Mal wird derselbe Cicero-Text von Abaelard in seinem Römerbriefkommentar angeführt. Nach den Untersuchungen von C. Mews dürfte dieses Werk zur gleichen Zeit wie die Überarbeitung der Theologia christiana entstanden sein, die aus diesem Werk schließlich die Theologia ,Scholarium’ machte. [28]

Hier ist es die Auslegung von Röm 1, 19-20, die Abaelard zu einem Exkurs über die Erkennbarkeit Gottes aus der Schöpfung heraus anregt. Abaelard betont, dass sowohl die Einheit als auch die Dreifaltigkeit Gottes aus den Werken der Schöpfung erkennbar ist, während die Menschwerdung als reine, nicht rational erkennbare Offenbarungstatsache zu gelten hat. [29] Zur abschließenden Begründung dieser Versicherung greift Abaelard wiederum auf die Tradition zurück und zitiert, allerdings nicht wörtlich, die bereits angeführten Stellen von Platon und Cicero. Trotzdem ist der Zusammenhang ein anderer als in der Theologia, denn einerseits steht Platon im Römerbriefkommentar vor Cicero, und zum anderen wird auf eine andere Stelle aus dem Timaios Bezug genommen: In Frage steht nicht, dass nichts in der Welt ohne vernünftigen Grund geschieht, sondern dass Gott die Welt nicht hätte besser schaffen können, als er es de facto getan hat. [30] Und hierauf folgt wieder ein Verweis auf die zitierte Cicero-Stelle (deren syllogistische Interpretation durch Abaelard bei dieser Art der Wiedergabe deutlich hervortritt):

Nicht nur haben aber die Philosophen der Heiden unmittelbar aus der Anlage oder wunderbaren Ausschmückung der Welt ihren wunderbaren Schöpfer erkannt, sondern ihm auch mit passenden Vernunftgründen aufgrund ihrer bestmöglichen Ordnung die bestmögliche Vorsehung in der göttlichen Lenkung zugeschrieben. Von diesen hat einer, Tullius, im ersten Buch seiner ,Rhetorica’ mit einem starken Vernunftgrund gezeigt, dass die Welt selbst durch Vorsehung, nicht durch Zufall gelenkt werde, nämlich als er behauptete, dass das, was mit Plan und Vorsehung geleitet werde, besser vorankomme und geleitet werde als anderes, und sogleich hinzunahm, es werde nichts besser und ordentlicher gelenkt oder geordnet als gerade die Welt, und auch dies sofort durch einen offensichtlichen Vernunftgrund bewies, indem er nämlich zeigte, wie nützlich und vernünftig das, was sich in der Welt befindet, in seiner Ordnung verharrt. [31]

Ciceros Gedankengang wird von Abaelard als Beleg für die göttliche Vorsehung verstanden; insoweit entspricht die Römerbriefstelle der Aussage im Fünften Buch der Theologia christiana («als er erkannt hat, dass die Welt nicht nur bestmöglich geschaffen ist, sondern auch bestmöglich regiert wird, bestätigt er, dass das eher aus Vorhersehung als aus Zufall geschieht» [32] ). Ihre Stellung im Argumentationsgang ist freilich eine andere, da sie hier nicht als vorbereitende Einleitung für einen Gottesbeweis angeführt wird, sondern mit der Vorhersehung Gottes etwas beweisen soll, das über das reine Faktum der Existenz eines Schöpfergottes hinausgeht. Die Cicero-Stelle erörtert das vorausgehende Platon-Zitat dahingehend, dass der gute Urzustand der Welt in einer prästabilierten Harmonie weiter fortbestehe. Den Schluss auf Gottes Existenz schließt Abaelard hier nicht an.

IV. Abaelards Diskussion einer Stelle in De officiis

Die nach der Ausgabe von Boyer/McKeon [33] 137. Quaestio von Abaelards Sic et Non steht unter der Überschrift «Dass nur die Liebe eine Tugend genannt werden darf und dagegen» (Quod sola caritas virtus dicenda sit et non). Wie nahezu alle Quaestionen dieses Werks sind auch hier nicht nur Zitate zusammengestellt, die sich direkt auf die eingangs gestellte Frage beziehen. Die 20 z.T. recht langen Ausführungen wurden von Abaelard in unterschiedlicher Weise und zu unterschiedlichen Zielen benutzt; das soll jetzt am Beispiel des einzigen Cicero-Zitats in der Reihe beispielhaft gezeigt werden. Das Zitat stammt aus De officiis 2, 34f., war Abaelard aber offensichtlich unabhängig vom Gesamttext dieses Werkes bekannt, vermutlich aus einem Florilegiun. [34] Es lautet folgendermaßen:

Während die Gerechtigkeit ohne die Klugheit reichlich Autorität besitzt, hat die Klugheit ohne Gerechtigkeit keinen Wert dafür, Glauben zu erwecken. Denn je schlauer und gewandter jemand ist, desto missliebiger und verdächtiger ist er auch, wenn die Ansicht von seiner Rechtschaffenheit entzogen ist. Deswegen wird die Gerechtigkeit, die mit Intelligenz verbunden ist, so viel besitzen, wie sie will, um den Glauben von Männern zu erwecken. Gerechtigkeit ohne Klugheit kann viel, ohne Gerechtigkeit wird die Klugheit keinen Wert haben. Aber damit sich niemand wundert, warum ich das, was bei allen Philosophen feststeht und von mir selbst häufig erörtert wurde, dass die, die eine Tugend haben, alle haben, nun so auftrenne, als könne jeder, weil er nicht ebenso klug ist, gerecht sein: Sie ist eine Sache, wenn die Wahrheit in einer Erörterung genau untersucht wird, eine andere, wenn die Rede an alle angepasst wird. Deswegen sprechen wir an dieser Stelle wie die Menge, so dass wir sagen, die einen sind tapfer, die anderen gute Männer und wieder andere sind klug. Denn wir müssen mit volkstümlichen und gebräuchlichen Wörtern argumentieren, wenn wir sprechen. [35]

Wenn Abaelard auf diesen Text eingeht, interessiert ihn nicht nur die Aussage über die Einheit der Tugend und ihren Zusammenhang zum christlichen Liebesbegriff, sondern ein sprachliches Phänomen. Im Prolog zum Sic et Non leitet er die Stelle folgendermaßen ein:

Auch poetische und philosophische Schriften sagen das meiste so nach ihrer Meinung, als ob es in Wahrheit bestehe, obwohl es sich offensichtlich von der Wahrheit sehr weitgehend unterscheidet. [...] Dass auch die Philosophen das meiste eher nach der Meinung von anderen als nach ihrem eigenen Vorteil vortrugen, bezeugt Tullius in De officiis, 2. Buch, deutlich mit den Worten: [...] [36]

Ciceros Angaben über seine eigene Aussageabsicht wird hier wieder nicht nur für bare Münze, sondern als Ausdruck für typische Aussageformen eines philosophischen Textes genommen; Anregung dazu gab wohl der Rhetor selbst, der sich mit «allen Philosophen» in eine Reihe stellt. Es ist gut möglich, dass Abaelard seine schon mehrmals zitierte Auffassung von Cicero als dem Sprachrohr der philosophischen Wahrheit aus genau dieser Stelle ableitet. Andererseits überrascht es, wie unbescholten er Ciceros Selbstrechtfertigung als generelle Regel für philosophische Texte übernimmt, deren Gebrauch der Bildersprache man doch nicht ohne weiteres mit dem dichterischer Texte gleichsetzen kann. Hier kommen wohl wieder die Autorität des berühmten Römers und Abaelards begrenzte Kenntnis philosophischer Texte zusammen, um ihn zu dieser Aussage zu bringen.

Eine ausgedehntere Behandlung, die mehr der Fragestellung entspricht, um deretwillen Abaelard die De officiis-Stelle ins Sic et Non aufgenommen hat, findet sich in seiner zweiten Collatio. Hier führt der philosophische Gesprächspartner den Passus an, um die stoische These zu untermauern, dass doch tatsächlich – entgegen der Meinung des Christen – alle guten Menschen gleich gut und alle schlechten gleich schlecht sind. [37] Diese These, die Abaelard nicht nur hier entschieden zurückweist, [38] unterstützt er mit einer Anspielung auf Ciceros Paradoxa Stoicorum [39] und mit einer Auslegung des zitierten Passus aus De officiis. Alle tugendhaften Menschen seien dann gleich gut und alle schlechten gleich schlecht,

wenn es um die Sache, nicht um die Meinung der Menschen geht, die mehr die Wirkung der Werke als die Qualität der Sitten beurteilen und belohnen und dem entsprechend, was außen zu geschehen scheint, die einen für gerechter oder stärker bzw. für besser oder schlechter als die anderen halten. [40]

Hier wird Ciceros Aussage, sich dem Sprachgebrauch der Menge anzupassen, in eine philosophische Wiedergabe von Abaelards Grundunterscheidung moralisch indifferenter äußerer Werke und allein sittlich bedeutsamer innerer Einstellungen umgewandelt – eine Voraussetzung, die der Philosoph der Collationes ebenso selbstverständlich teilt wie die übrigen Gesprächsteilnehmer.

Der Cicero-Text bleibt auch in der folgenden Argumentation weiter präsent. Hier halten sich die beiden Gesprächspartner gegenseitig Zitate aus Augustinus und der Bibel vor, die beweisen sollen, dass auch der christliche Liebesbegriff die Gleichsetzung aller Tugenden impliziert oder das eben nicht tut. Obwohl von den hier angeführten Zitaten nur eines in der 137. Quaestio des Sic et Non wieder auftaucht, nämlich 1 Kor 7, 7-9 in Coll. 2 (Th. 112, 1890-1892), ist doch deutlich, warum Abaelard sich für das Zitat aus De officiis interessierte, nämlich insofern es mit seiner möglichen Ineinssetzung aller Tugenden eine Parallele zum christlichen Liebesbegriff zu suggerieren schien – eine Lehre, die Abaelard freilich im Verlauf seines philosophischen Gesprächs entschieden ablehnt. Cicero wird dabei allerdings insofern geschont, als Abaelard betont, dass seine irrtümliche Lehre lediglich die Meinung anderer wiedergab. [41]

Diese Einschränkung hindert Abaelard nicht, in einer anderen Frage Ciceros Meinung klar zu widersprechen. Wenn nämlich der philosophische Gesprächspartner in den Collationes die Bedeutung der Klugheit und ihr Verhältnis zu den anderen Tugenden erörtert, sagt er klar, dass die Klugheit ebenso wie die christlichen Tugenden Glaube und Hoffnung keine Tugend im eigentlichen Sinn darstellt [42] ; damit gibt er zweifellos Abaelards eigene Ansicht wieder, wie Berichte aus seinen Vorlesungen in einigen Sentenzensammlungen zeigen [43] . Diese Ansicht widerspricht nicht nur Ciceros Aussage, dass alle Philosophen der gegenteiligen Meinung sind und nur für das einfache Volk eine leichter fassbare Sprachregelung wählen. Sie steht auch, wie in den Collationes selbst zugegeben wird, in deutlichem Gegensatz zu einer Position des heiligen Augustinus. Auch hier zeigt sich der souveräne Umgang mit Autoritäten durch Abaelard. Andererseits zeigt sich, wie sehr er von seinen Vorbildern beeinflusst wurde: Denn es ist plausibel, dass Abaelard auch durch Ciceros Aussage «Während die Gerechtigkeit ohne die Klugheit reichlich Autorität besitzt, hat die Klugheit ohne Gerechtigkeit keinen Wert dafür, Glauben zu erwecken», zu seiner Meinung angeregt wurde, dass die Klugheit nicht wie die Gerechtigkeit eine Tugend darstellt.

V. Ergebnis

Abaelards Umgang mit Cicero ist der eines Philosophen, der sich auf eine andere Autorität bezieht und von ihr auch Anregungen übernimmt, letztlich aber seinem eigenen Urteil folgt. Daher flicht er die Cicero-Zitate in den Zusammenhang seiner eigenen Argumentationen ein und gestaltet sie bei Bedarf ihnen entsprechend um. Seine Hochachtung vor seinen Vorbildern führt ihn nicht zu einer sklavischen Reproduktion, sondern zu einer eigenständigen Weiterentwicklung von deren Gedanken.

Bemerkenswert an Abaelards Arbeit mit Cicero ist vor allem die philosophische Fruchtbarkeit der Bezugnahme auf den römischen Schriftsteller: Immer wieder kann Abaelard einem relativ abgelegenen rhetorischen Kontext einen wichtigen philosophischen Gedanken entnehmen. Aus diesem Grund hat es auch seine systematische Berechtigung, wenn er Cicero immer wieder als Philosophen bezeichnet: Zumindest im Hinblick auf den Nutzen, den Abaelard von Ciceros Theorien hatte, ist diese Anrede mehr als gerechtfertigt. Im Übrigen musste die Gestalt Ciceros sich für Abaelard umso deutlicher abheben, als er sonst nur wenig direkte Kenntnis von antiken Quellentexten hatte.

Die Fruchtbarkeit seiner Cicero-Rezeption bestätigt damit einmal mehr den hohen Rang des Philosophen und Theologen Abaelard, der auch aus einer begrenzten Quellenkenntnis entscheidende systematische Anliegen seiner Vorbilder begriff und aufnehmen konnte. [44] Das war der Grund dafür, dass er der Entwicklung der europäischen Philosophie und Theologie Anstöße geben konnte, die bis heute nachwirken.



[1] Gabriella D’Anna, «Abelardo e Cicerone», Studi Medievali, ser. 3, 10/1 (1969), S. 333-419.

[2] John Marenbon, «Abelard’s Ethical Theory. Two Definitions From the Collationes», in: Haijo Westra (Hrsg.), From Athens to Chartres (STGMA 35), Leiden/New York/Köln, Brill, 1992, S. 301-314, hier S. 303.

[3] Wie in meiner Dissertation Liebe als Zentralbegriff der Ethik nach Peter Abaelard (BGPhMA, NF 58), Münster, Aschendorff, 2001 im Einzelnen begründet wird, sehe ich in Abaelard weniger einen kritischen Zerstörer von Autoritäten als einen systematisch interessierten Denker, der ausgehend von einer anspruchsvollen philosophischen Grundposition ein disparates Faktenmaterial zu einer geschlossenen philosophisch-theologischen Weltsicht auszubauen sucht. Damit folge ich John Marenbon, The Philosophy of Peter Abelard, Cambridge, Cambridge University Press, 1997, S. 340-349.

[4] «[I]lle Latinorum maximus philosophorum Tullius»; Vgl. Theologia christiana (= Tchr) 5, 6 (CCCM 12, S. 348, Z. 69) = Theologia ‚Scholarium’ (= Tsch) 3, 6 (CCCM 13, S. 501, Z. 65).

[5] Vgl. Gabriella D’Anna, art. cit., S. 333f.

[6] «Quos quidem unum tantummodo deum cognoscere unus ex ipsis Tullius perhibet dicens: ‚eos, qui philosophiae dant operam, non arbitrari deos esse’ [Cicero, De inventione, hrsg. u. übers. von Theodor Nüßlein, Düsseldorf u. Zürich, Artemis & Winkler, 1998, I, 46, S. 88], ac si aperte dicat, immo deum unum, non deos plures.» Theologia ‚Summi boni’ (= Tsum) 1, 31 (CCCM 13, S. 97, Z. 298-301); Übersetzung von Ursula Niggli nach Peter Abaelard, Theologia Summi boni, lat.-dt. hrsg. v. Ursula Niggli, Hamburg, Meiner, 19973, S. 27.

[7] Vgl. Aetios placita 1, 7, 1 = Plutarch placita 1, 7, 1 (Hermannus Diels, Doxographi Graeci, Berolini, 1879, S. 297): «Ενιοι Ενιοι των φιλοσοφον [...] καθολου φασιν μη ειναι θεους.»

[8] «Probabile autem est id, quod fere solet fieri aut quod in opinione positum est aut quod habet in se ad haec quandam similitudinem, sive id falsum est sive verum. In eo genere, quod fere fieri solet, probabile huiusmodi est: ,Si mater est, diligit filium; si avarus est, neglegit ius iurandum.’ In eo autem, quod in opinione positum est, huiusmodi sunt probabilia: Impiis apud inferos poenas esse praeparatas; eos, qui philosophiae dent operam, non arbitrari deos esse.» Cic. inv. I, 46 (ed. cit., S. 88).

[9] Abaelard, Logica ,ingredientibus’ (Pietro Abelardo, Scritti di logica, ed. Mario dal Pra [PFLFM 34], Firenze, La nuova Italia, 1969, S. 259-266); vgl. Gabriella D’Anna, art. cit., S. 340-352.

[10] Abaelard, Sic et Non (= SN), prol. (Peter Abailard, Sic et Non, ed. by Blanche B. Boyer and Richard McKeon, Chicago u. London, University of Chicago Press, 1977, S. 92, Z. 88f.).

[11] Tchr 5, 1 (CCCM 12, S. 347, Z. 1-14) = Tsch 3, 1 (CCCM 13, S. 499, Z. 1-12).

[12] «[D]e ratione credendi unum deum discussio et, quid unum magis quam plures credi attineat.» Tchr 5, 2 (CCCM 12, S. 347, Z. 15f.) = Tsch 3, 2 (CCCM 13, S. 499, Z. 13f.).

[13] Tchr 5, 2f. (CCCM 12, S. 347, Z. 16-38) = Tsch 3, 2f. (CCCM 13, S. 499, Z. 14 – S. 500, Z. 35).

[14] «Quod notum est Dei, manifestum est in illis.» Röm 1, 18 nach Tchr 5, 4 (CCCM 12, S. 348, Z. 53f.) = Tsch 3, 4 (CCCM 13, S. 500, Z. 50); die Textform «in illis» ist an dieser Stelle u. Tsch 1, 98 u. 100 (CCCM 13, S. 357, Z. 1086f. u. S. 358, Z. 1110f.) beibehalten, wird aber nicht besonders kommentiert; vgl. Alexander Fidora, «Die Verse Römerbrief 1, 19ff. im Verständnis Abaelards», Patristica et Mediaevalia, 21 (2000), S. 76-86, hier S. 82f.

[15] «Si enim tantum potuerunt scire, ut possent aestimare saeculum, quomodo ipsius mundi Deum et creatorem non facilius invenerunt?» Weish 13, 9 nach Tchr 5, 5 (CCCM 12, S. 348, Z. 66-68) = Tsch 3, 5 (CCCM 13, S. 501, Z. 62-64).

[16] «Hoc et ille Latinorum maximus philosophorum Tullius diligenter intuitus, cum non solum optime factum, verum etiam optime disponi mundum conspiceret, providentia id potius agi quam fortuitu confirmat, tam suam nobis in hoc quam ceterorum rationem exposuit philosophorum.» Tchr 5, 6 (CCCM 12, S. 348, Z. 69-73) = Tsch 3, 6 (CCCM 13, S. 501, Z. 65-69).

[17] Vgl. Cic. inv. I, 58f. (ed. cit., S. 102) mit Tchr 5, 6 (CCCM 12, S. 349, Z. 74-94) = Tsch 3, 6 (CCCM 13, S. 501, Z. 69 - S. 502, Z. 89).

[18] «[...] non modo quadam ex necessitate semper eodem modo fiunt, verum ad utilitates quoque rerum omnium sunt accommodatae [...]» Cic. inv. I, 59 (ed. cit., S. 108) in Tchr 5, 6 (CCCM 12, S. 349, Z. 86-88) = Tsch 3, 6 (CCCM 13, S. 501, Z. 81-83).

[19] «Nichil fit, cuius ortum non legitima causa et ratio precedat.» Plat. Tim. 28a in Tchr 5, 7 (CCCM 12, S. 349, Z. 97f.) = Tsch 3, 7 (CCCM 13, S. 502, Z. 91f.); vgl. Lawrence Moonan, «Abelard’s Use of the Timaeus», AHDLMA, 64 (1989), S. 25-28.

[20] Coll. 2 (Petrus Abaelardus, Dialogus inter Philosophum, Iudaeum et Christianum, textkritische Edition von Rudolf Thomas, Stuttgart-Bad Cannstatt, Frommann-Holzboog, 1970, S. 170, Z. 3405f., 3411-3415); das Platon-Zitat findet sich hier etwas früher Coll. 2 (Th. S. 166, Z. 3309-3311).

[21] «Hoc vero, quo optime cuncta fiunt ac disponuntur consilio (Hss. consilium, meine Konjektur), alii deum, alii naturam ipsam rerum, alii mentem seu animam mundi vocare consueverunt, omnes autem id summum bonum esse intellexerunt.» Tchr 5, 7 (CCCM 12, S. 349, Z. 100-104) = Tsch 3, 7 (CCCM 13, S. 502, Z. 95-98).

[22] Diese Feststellung in der Theologia christiana ist jedenfalls eine der wichtigsten Voraussetzungen für Abaelards berühmte Collationes zwischen verschiedenen Anhängern des Monotheismus; auf die Spannung aus Einheit und Verschiedenheit des Gottesbildes, die diesem Dialog innewohnt, hat erst kürzlich Hartmut Westermann hingewiesen («Wahrheitssuche im Streitgespräch. Überlegungen zu Peter Abaelards Dialogus inter Philosophum, Iudaeum et Christianum, in: Klaus Jacobi [Hrsg.], Gespräche lesen. Philosophische Dialoge im Mittelalter [ScriptOralia 115], Tübingen, Narr, 1999, S. 157-197, hier S. 176f.); auf Westermanns Frage, ob sich in den Collationes Verehrer «des einen Gottes» oder solche «nur eines Gottes» treffen, lässt sich auf dem Hintergrund der zitierten Stelle jedenfalls sagen, dass vor Abaelards Hintergrund wohl die erste Alternative richtig ist.

[23] Summum bonum ist der Leitbegriff sowohl der beiden ersten Versionen von Abaelards Theologia (Tsum 1, 1 [CCCM 13, S. 86, Z. 4-9] = Tchr 1, 1 [CCCM 12, S. 72, Z. 1-6]) als auch seiner Collationes (vgl. Coll. 2 [Th. S. 89, Z. 1280-1282]); vgl. Matthias Perkams, op. cit., S. 32f. u. S. 66-68.

[24] Vgl. Matthias Perkams, op. cit., S. 33 u. S. 308f.

[25] Tchr 5, 8 (CCCM 12, S. 350, Z. 111-136) = Tsch 3, 8 (CCCM 13, S. 502, Z. 105-503, 129).

[26] Tchr 5, 6 (CCCM 12, S. 349, Z. 81-83) = Tsch 3, 6 (CCCM 13, S. 501, Z. 76-78).

[27] Cic. inv. I, 60 (ed. cit., S. 104).

[28] Constant J. Mews, «Peter Abelard’s Theologia christiana and Theologia ,Scholarium’ re-examined», Revue de Théologie anicienne et médiévale, 52 (1985), S. 109-158, hier S. 157; einen wesentlich verbesserten Text des Römerbriefkommentars hat jetzt Rolf Peppermüller zusammen mit seiner deutschen Übersetzung der Schrift vorgelegt (Abaelard, Expositio in Epistolam ad RomanosRömerbriefkommentar, lat.-dt., übersetzt und eingeleitet von Rolf Peppermüller [= Fontes Christiani 26, 1-3], 3 Bde., Freiburg/Basel/Wien, Herder, 2000); die Ausgabe von Eligius M. Buytaert bleibt aber wegen ihres Apparates unverzichtbar und wird hier, da ihre Seitenzahlen bei Peppermüller angegeben sind, allein zitiert.

[29] Exp. Rom. 1 (CCCM 11, S. 68, Z. 717-69, 766).

[30] Exp. Rom. 1 (CCCM 11, S. 69, Z. 774-776); gemeint ist wohl Plat. Tim. 29D-30A (22 Waszink); vgl. Abael. Tchr 5, 34f. (CCCM 12, S. 361, Z. 491-509).

[31] «Non solum autem philosophi gentium ex ipsa mundi compositione vel ornatu mirabili mirabilem eius artificem perceperunt, verum etiam ex optima eius dispositione optimam divinae gubernationis providentiam rationibus congruis assignarunt. Quorum unus, Tullius, in primo ,Rhetoricae’ suae mundum ipsum providentia, non fortuitu regi valida ratione monstravit, cum videlicet ea, quae consilio ac providentia reguntur, melius procedere atque administrari proponeret quam alia ac statim nihil melius et ordinatius administrari vel disponi quam mundum ipsum assumeret atque hoc quoque ilico manifesta ratione convinceret, ostendens scilicet quam utiliter et rationabiliter ea, quae in mundo sunt, in sua ordinatione perseverent.» Exp. Rom. 1 in Röm 1, 20 (CCCM 11, S. 69, Z. 777-70, 789); Text und Übersetzung von Rolf Peppermüller nach: S. 152f. mit kleinen Änderungen.

[32] S. o. Fn. 16.

[33] Die Zählung der Quästionen des Sic et Non ist in den Handschriften sehr unterschiedlich; vgl. dazu Boyer/McKeon S. 1-80, aber auch die übersichtlichere Darstellung von Eligius M. Buytaert, «The Greek Fathers in Abelard’s Sic et Non», Antonianum, 41 (1966), S. 414-427.

[34] Gabriella D’Anna, art. cit., S. 368.

[35] «Iustitia cum sine prudentia satis habeat auctoritatis, prudentia sine iustitia nihil valet ad faciendam fidem. Quo enim quisque versutior et callidior, hoc invidiosior et suspectior, detracta opinione probitatis. Quamobrem intelligentiae iustitia coniuncta, quantum volet, habebit ad faciendam fidem virium. Iustitia sine prudentia multum poterit, sine iustitia nil valebit prudentia. Sed ne quis sit admiratus, cur, quod inter omnes philosophos constet a meque ipso disputatum saepe sit, qui unam habent, omnes habere virtutes, nunc ita seiungam, quasi possit quisque, quod (v.l.: qui) non idem prudens sit, iustus esse: alia est illa, cum veritas ipsa limatur in disputatione, alia cum omnes ad omnes accommodatur oratio. Quamobrem ut vulgus, ita nos hoc loco loquimur, ut alios fortes, alios viros bonos, alios prudentes esse dicamus. Popularibus enim verbis est agendum et usitatis, cum loquimur.» SN 137, 8 (B./McK., S. 466, Z. 50 - S. 467, Z. 65) = ibid., prol. (B./McK., S. 95, Z. 157-96, 168) = Coll. 2 (Th. S. 108, Z. 1775-1789); die ciceronianische Lesart «qui» bieten nur zwei der ältesten Hss. des SN; im Prolog des gleichen Werkes ebenso wie in den Coll. ist der Fehler «quod» allgemein verbreitet: Beide Stellen sind wohl aus einer bereits korrupten Abschrift des SN übernommen worden.

[36] «Poeticae quoque seu philosophicae scripturae pleraque ita iuxta opinionem loquuntur, quasi in veritate consistant, quae tamen a veritate penitus discrepare liquet. [...] Quod vero philosophi quoque pleraque iuxta opinonem aliorum magis quam iuxta suam proferebant sententiam, Tullius, lib. II De officiis, his verbis manifeste profitetur: [...]» SN prol. (B./McK., S. 95, Z. 149-151 u. Z. 155-157).

[37] Coll. 2 (Th. S. 107, Z. 1766-108, 1789).

[38] Coll. 2 (Th. S. 108, Z. 1793-109, 1798); vgl. Eth. 1 (Peter Abelard’s Ethics. An Edition With Introduction, English Translation and Notes by David E. Luscombe, Oxford, Oxford University Press, 1971, S. 74, Z. 7-11).

[39] Coll. 2 (Th. S. 108, Z. 1790-1792); vgl. Gabriella D’Anna, art. cit., S. 357.

[40] «Siquidem in re, non in hominum opinione consistit, qui operum effectum magis quam morum qualitatem diiudicant atque remunerant et secundum ea, que exterius geri videntur, alios iustiores vel fortiores sive meliores vel deteriores aliis iudicant.» Coll. 2 (Th. S. 109, Z. 1799-1803).

[41] Coll. 2 (Th. S. 110, Z. 1845f.); vgl. den Kontrast zu Abaelards in Abschnitt III. a) geschildertem Umgang mit Cicero.

[42] Coll. 2 (Th. S. 117, Z. 2034-118, 2061).

[43] Sent. Herm., S. 32f. (Sententie magistri Petri Abelardi [Sententie Hermanni], edizione critica e nota al testo a cura di Sandro Buzzetti [PFLFM 101], Firenze, La nuova Italia, 1981, S. 143, Z. 66-150, Z. 25); Sent. Par. 3 (Arthur Landgraf, Écrits théologiques de l’école d’Abélard [Spicilegium Sacrum Lovaniense 14], Louvain, 1934, S. 51, Z. 9-55, 2).

[44] Das gilt auch für die Bedeutung des ciceronianischen Ehrbegriffs, auf die ich anderswo hingewiesen habe. Vgl. Matthias Perkams, op. cit., S. 93f.