„[...] in theologicis intelligentialiter versari oportet” Zur Rezeption der boethianischen Methodologie der Wissenschaften bei Dominicus Gundissalinus[1]

 

Alexander Fidora
Johann Wolfgang Goethe-Universität
Frankfurt am Main

1. Einleitung

Der Archidiakon von Cuéllar Dominicus Gundissalinus (*ca. 1110, †nach 1181), spanisch Domingo Gundisalvo, darf gewiß als der systematisch relevanteste Vertreter der sog. Schule von Toledo[2] bezeichnet werden, in der im 12. Jahrhundert unter dem Mäzenat von Raimund von Toledo zahlreiche Werke arabisch-jüdischer Denker ebenso wie später das Corpus aristotelicum arabum ins Lateinische übersetzt wurden. Denn Dominicus Gundissalinus übertrug nicht nur gemeinsam mit Johannes Avendauth, dessen Identität noch immer ungeklärt ist, an die zwanzig Werke ins Lateinische, u.a. von al-Farabi, Avicenna und al-Ghazali, sondern ist daneben auch der Verfasser von fünf Abhandlungen, deren chronologische Abfolge bislang nicht ermittelt werden konnte. Es sind dies erstens die Schrift De processione mundi, zweitens der Tractatus de anima, drittens die vermutlich von Wilhelm von Auvergne plagiierte Abhandlung De immortalitate animae, viertens der lange Zeit Boethius zugeschriebene Kurztraktat De unitate und nicht zuletzt seine wohl wirkungsmächtigste Schrift, die den Titel De divisione philosophiae trägt.[3]

In den mehr als hundert Jahren, die seit der von Clemens Baeumker mit seinen Beiträgen zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters betriebenen Veröffentlichung dieser Werke vergangen sind, lag das Hauptaugenmerk bei der Erforschung dieser Traktate auf ihrer Aufnahme und Integration der arabisch-jüdischen Quellen, was dazu geführt hat, daß Gundissalinus weit mehr Aufmerksamkeit von Seiten der Arabisten zuteil wurde – von diesen seien hier stellvertretend Marie-Thérèse d’Alverny und Manual Alonso genannt – als von den Erforschern der lateinischen Philosophie des Mittelalters. So kommt es, daß, obwohl durch die kritischen Apparate der entsprechenden Editionen die lateinisch-christlichen Quellen des Dominicus Gundissalinus bekannt sind, bislang genauere Untersuchungen zur Interpretation und zum Umgang des Archidiakons mit diesen Quellen fehlen. Gewiß liegt das ‚Neue’ und ‚Unbekannte’ in den Werken des Gundissalinus in ihrer Übermittlung und Integration der arabisch-jüdischen Elemente liegt – die somit zu Recht die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat –, doch muß gerade zum besseren Verständnis dieser Integration des ‚Neuen’ und ‚Unbekannten’, d.h. der arabisch-jüdischen Tradition, gefragt werden, wie Gundissalinus das ‚Bekannte’, also seine eigene Tradition, interpretierte. Nur so ist ein adäquates Verständnis der Übermittlung des arabisch-jüdischen und mit ihm des aristotelischen Denkens möglich, das von Toledo aus in wenigen Jahren die gesamte westliche Welt erobern sollte. Es gilt mithin zu untersuchen, welche die Bedingungen und Probleme innerhalb der eigenen Tradition waren, die es Gundissalinus erlauben sollten, eine bis dahin in den intellektuellen Zentren des Westens unbekannte Philosophie aufzunehmen und zu assimilieren.

Im folgenden soll dies anhand eines exemplarischen Aspekts des intellektuellen Hintergrundes der Integration der arabisch-jüdischen Philosophie geschehen: Gundissalinus’ Umgang mit der von Boethius entwickelten Methodologie der Wissenschaften. Es scheint, daß Boethius zusammen mit Isidor von Sevilla[4] die lateinsich-christliche Hauptquelle des Archidiakons war, denn in all seinen Werken finden sich zahlreiche Bezüge auf De consolatione philosophiae, De institutione arithmetica, De institutione musica, De differentiis topicis, In Ciceronis topica und natürlich De trinitate.[5] Allein die Fülle der Boethius-Zitate läßt bereits vermuten, daß Gundissalinus Zugang zu boethianischen Manuskripten besaß, was auch durch die Handschrift 10109 der Biblioteca Nacional in Madrid bestätigt wird, die aus dem Toledo des 12. Jahrhunderts stammt und neben Werken des Laktanz auch die Consolatio enthält.[6]

2. Die Methodologie der Wissenschaften nach Boethius und seinen Kommentatoren

Der locus classicus für die boethianische Methodologie der Wissenschaften ist sein Traktat De trinitate[7]. Bevor Boethius in diesem in die Diskussion des eigentlichen Themas, nämlich der Trinität, eintritt, verhandelt er ausführlich die Einteilung der Wissenschaften in scientia naturalis, mathematica und scientia divina. Zunächst folgt er dabei der aristotelischen Unterscheidung der Wissenschaften aus Met. VI nach ihren distinkten Objektbereichen. Demzufolge hat es die Naturphilosophie oder Physik mit Gegenständen zu tun, die sich in motu inabstracta befinden, die Mathematik mit solchen sine motu inabstracta und die göttliche Wissenschaft mit solchen sine motu abstracta:[8]

Nam cum tres sint speculativae partes, naturalis, in motu inabstracta anypexairetos (considerat enim corporum formas cum materia, quae a corporibus actu separari non possunt [...]), mathematica, sine motu inabstracta (haec enim formas corporum speculatur sine materia ac per hoc sine motu, quae formae cum in materia sint, ab his separari non possunt), theologica, sine motu abstracta atque separabilis (nam dei substantia et materia et motu caret) [...][9]

Daraufhin unterscheidet Boethius die Wissenschaften nach ihren Methoden:

In naturalibus igitur rationabiliter, in mathematicis disciplinaliter, in divinis intellectualiter versari oportebit.[10]

Damit ist programmatisch in nur einem Satz die boethianische Methodologie der Wissenschaften formuliert, deren Interpretation seine Kommentatoren im 12. Jahrhundert fesselte, wobei es die Methoden der Mathematik und der Theologie sein sollten, die ihnen den größten Scharfsinn abverlangten.[11] Der erste und bedeutendste unter ihnen, der Bischof von Poitiers Gilbert (*ca. 1080, †1154) kommentiert den in Frage stehenden Passus folgendermaßen:

Ac per hoc ‚in naturalibus’ quae sicut sunt percipi debent, scilicet concreta et inabstracta, ‚oportebit’ philosophum ‚versari rationaliter’ [...] ‚In mathematicis’ vero ubi inabstracta aliter quam sint i.e. abstractim attenduntur, oportebit eum versari ‚disciplinaliter’ [...] ‚In divinis’ quoque quae non modo disciplina verum etiam re ipsa abstracta sunt ‚intellectualiter’ versari oportebit [...][12]

Die Erklärung der Methodologie der Wissenschaften, die Gilbert hier vorschlägt, ist eine Rückanwendung eines der Kriterien, mit denen Boethius die Objektbereiche der Wissenschaften bestimmt, nämlich die Abstraktion, auf deren Methoden. Damit scheint die Methodologie der Wissenschaften sich letztlich auf die Unterscheidung ihrer Objekte zu reduzieren.[13]

Weitaus differenzierter ist in dieser Hinsicht der Vorschlag Thierrys von Chartres (†1148/1155), Kanzler der Kathedralschule von Chartres, in seinem Kommentar zu De trinitate:

Et sciendum quod diversis animae viribus et comprehensionibus in physica, mathematica, theologia utendum est ad comprehendendum universitatem ut subiecta est his tribus speculativae partibus. Nam in theologia utendum est intellectibilitate sive intelligentia: in mathematica vero intellectu qui est disciplina: in physica ratione sensu et imaginatione quae circa materiam comprehendunt quicquid comprehendunt.[14]

Für Thierry hängt die Methodologie der Wissenschaften mit den Vermögen der Seele, den „vires animae“, (und nicht etwa den Objekten) zusammen, womit sich ihm das folgende Problem stellt: Während die Methode der Physik („rationabiliter“) ebenso wie jene der göttlichen Wissenschaft („intellectualiter“) jeweils einem Seelenvermögen entsprechen, nämlich der „ratio“ und dem „intellectus“, scheint es, daß sich die Mathematik, die „disciplinaliter“ verfährt, nicht auf ein Seelenvermögen, sondern auf den Lernprozeß bezieht. Thierry versucht diese Schwierigkeit zu lösen, indem er der Mathematik das intellektuelle Vermögen und damit den „intellectus“ („intellectu qui est disciplina“) zuordnet, während er das Vermögen der göttlichen Wissenschaft mit einem Neologismus als „intellectibilitas“[15] bestimmt, die er ihrerseits mit der „intelligentia“ identifiziert.[16] Damit ergibt sich eine klare Zuordnung von Seelenvermögen und Methoden der Wissenschaften: Die Physik verfährt vermittels der „ratio“ „rationabiliter“, die Mathematik vermittels des „intellectus“ „disciplinaliter“ und die göttliche Wissenschaft vermittels der „intellectibilitas“ „intellectualiter“. Ein entscheidender Mangel dieser Zuordnung liegt jedoch darin, daß das Adverb „intellectualiter“, das nach Boethius die Methode der göttlichen Wissenschaft bestimmt, sich von „intellectus“ herleitet, womit der „intellectus“ sich eher zur Beschreibung der göttlichen als der mathematischen Wissenschaft anzubieten scheint.

Virulent wird dieser scheinbar folgenlose Mangel im De trinitate-Kommentar des Archidiakons Clarembald von Arras (†1187), einem Schüler Thierrys:

‚Vel rationabiliter in naturalibus versari’ oportet i.e. rationabiles causas inquirendo cur hoc tantum sit vel tale [...] ‚In mathematicis vero disciplinaliter’ i.e. abstractive et intellectibiliter philosopho versandum est [...] ‚In divinis’ autem ‚intellectualiter’ hoc es intellectibiliter theologum ‚versari oportebit’ [...][17]

Clarembald folgt seinem Lehrer in der Erläuterung der Methode der göttlichen Wissenschaft als „intellectualiter“ mit Hilfe des Begriffs der „intellectibilitas“, der sich hier in der Form „intellectibiliter“ findet. Das Problem, das sich bei Clarembald ergibt, besteht jedoch darin, daß die Methode „intellectibilter“ an der zitierten Stelle auch die Mathematik definiert. Sowohl die göttliche Wissenschaft als auch die Mathematik verfahren „intellectibilter“.[18] Damit mündet der von Thierry und seinem Schüler Clarembald unternommene Versuch einer Klärung und Systematisierung der boethianischen Methodologie in einer Nivellierung derselben, in deren Folge die distinkten Methoden der einzelnen Wissenschaften ineinander überzugehen drohen. Aufs Ganze gesehen läßt sich daraus der Schluß ziehen, daß die Methodologie der Wissenschaften des Boethius die Kommentatoren des 12. Jahrhunderts vor eine Schwierigkeit stellt, die diese letzten Endes nicht zufriedenstellend lösen können.

3. Wie Gundissalinus Boethius ‚korrigiert’

Dominicus Gundissalinus erörtert die boethianische Methodologie der Wissenschaften in einem seiner späteren Werke, dem De processione mundi[19], seiner Kosmologie. Nachdem er in diesem zunächst den bekannten Vers 1, 20 des paulinischen Römerbriefs zitiert, demzufolge es von den geschaffenen und sichtbaren Dingen zu den unsichtbaren Dingen, d.h. letztlich zu Gott, aufzusteigen gilt,[20] bringt er mit diesem Aufstiegsgedanken in einem zweiten Schritt die boethianische Methodendiskussion in Verbindung, die er folgendermaßen zitiert:

Unde dicitur, quod in naturalibus rationaliter, in mathematicis disciplinaliter, in theologicis intelligentialiter versari oportet.[21]

Was prima facie als ein wörtliches Boethius-Zitat erscheinen könnte – und so weisen es auch die Herausgeber des De processione mundi ebenso wie Manuel Alonso aus –, ist in Wahrheit viel mehr als dies: In dieser Passage zitiert Gundissalinus Boethius nicht bloß, sondern ‚korrigiert’ ihn, indem er das „intellectualiter“, das die göttliche Wissenschft kennzeichnet, in „intelligentialiter“ verwandelt.[22]

Nach dieser kleinen ‚Korrektur’ kann Gundissalinus mit einer Paraphrase des Boethius fortfahren, diesmal der Consolatio V, pr. 4, ohne auf die Schwierigkeiten seiner Chartreser Kollegen zu stoßen:

Et rationi quidem sufficit possibilitas, demonstrationi vero necessitas, intelligentiae vero simplex et mera quaedam conceptio. Ad intelligentiam autem per intellectum sive per demonstrationem, ad intellectum per rationem, ad rationem vero per imaginationem, et ad imaginationem vero per sensum ascenditur.[23]

Damit ist eine vollständige Auflistung der Seelenvermögen gegeben, die mit dem höchsten unter ihnen, nämlich der „intelligentia“ beginnt, auf welche der „intellectus“ folgt, auf diesen die „ratio“ sowie schließlich „imaginatio“ und „sensus“. Die ersten drei dieser Vermögen stimmen dabei dank der von Gundissalinus im Text des Boethius vorgenommenen Modifikation exakt mit den Methoden der Wissenschaften überein: die „intelligentia“ mit „intelligentialiter“, der „intellectus“ mit „disciplinaliter“ und die „ratio“ mit „rationaliter“. Indem Gundissalinus das boethianische „intellectualiter“ durch „intelligentialiter“ ersetzt – ein weiterer Neologismus im übrigen, der aus der Interpretation von De trinitate hervorgeht –, gelingt es ihm, eben jene von Thierry und Clarembald angestrebte Korrespondenz von Wissenschaften und Seelenvermögen zu etablieren, allerdings ohne auf die gleichen Probleme zu stoßen wie diese: Die Physik gründet in der „ratio“, die Mathematik im „intellectus“ und die göttliche Wissenschaft in der „intelligentia“.[24]

Bis zu diesem Punkt mag Gundissalinus’ Unterscheidung der Seelenvermögen als bloß begriffliche erscheinen, doch beeilt er sich, diese neuen Begriffe mit Inhalt zu füllen:

[...] ratio formas sensibliles praeter materiam, intellectus formas intelligibiles tantum, intelligentia vero unam simplicem formam utcunque, sed similiter apprehendit.[25]

Im Verlauf des Traktats wird er nun jedoch die beiden letztgenannten Vermögen beiseite lassen, da bei seinen kosmologischen Überlegungen die „ratio“ hinreicht, um vom Sichtbaren zu Gott, dem ersten Prinzip des Kosmos, aufzusteigen:

Unde per ea, quae facta sunt, invisibilia dei intellecta creatura mundi conspicit, cum ratio ad compositionem accedit hoc modo.[26]

Damit bleiben vorläufig verschiedene Fragen offen: Wie erkennt die „intelligentia“ die „unam simplicem formam“? Und welche ist die Differenz zwischen dem „intellectus“, der die „formas intelligibiles“ erfaßt, und der „intelligentia“, die lediglich „unam simplicem formam“ erkennt? Beide erfassen die reinen Formen ohne Materie – steht Gundissalinus damit nicht erneut vor Clarembalds Dilemma?

Eine weiterführende Klärung der Unterscheidung zwischen „intelligentia“ und „intellectus“ findet sich in Gundissalinus’ Tractatus de anima, in dem er beide unter erneuter Berufung auf Boethius folgendermaßen voneinander abhebt:[27]

Sicut autem per intellectum scientia sic sapientia per intelligentiam acquiritur, quae secundum Boethium paucorum admodum hominum est et solius Dei. Intelligentia enim est altior oculus animae quo se vel Deum et aeterna contemplando speculatur.[28]

Die „intelligentia“ übersteigt den Bereich der Wissenschaften stricto sensu, also die Physik und die Mathematik, um zur „sapientia“, zur Weisheit, zu werden, womit sie sich Gott nähert: Nur wenige Menschen gibt es, die diese Stufe des Wissens erreichen, das letztendlich Gott allein eignet. Und so wie das körperliche Auge des Lichtes bedarf, um zu sehen, so muß auch die „intelligentia“, das Auge der Seele, erleuchtet werden, um ihren Gegenstand wahrzunehmen:

Cum enim hic oculus animae qui est intelligentia in contemplationem creatoris intendit, quoniam Deus est lux, ipsa intelligentia tanta claritate divini luminis perfunditur ut ipsa intelligentia sic irradiata lux inaccessibilis tamquam forma in speculo resultare videatur.[29]

Dies ist also die Weise, in der die „intelligentia” die „unam simplicem formam“ erkennt: Sie muß von Gott, dem Vater der Lichter, erleuchtet werden, damit in ihr, wie in einem Spiegel, der Reflex der einen und einfachen Form widerscheine. Die „intelligentia“ ist folglich kein bloßer Akt des Menschen, vielmehr ist Gott selbst an ihr beteiligt: ja die Intelligenz ist göttlich.

Die beiden soeben kommentierten Passagen weisen große Ähnlichkeit mit zwei Formulierungen des Boethius aus seiner Consolatio auf. Die erste antizipiert das Motiv der „intelligentia“ als Auge, das die einfache Form erkennt:

Ratio vero hanc quoque transcendit speciemque ipsam quae singularibus inest universale consideratione perpendit. Intelligentiae vero celsior oculus existit; supergressa namque universitatis ambitum ipsam illam simplicem formam pura mentis acie contuetur.[30]

Die zweite Formulierung identifiziert die „intelligentia“ mit dem göttlichen Geist und hält den Leser dazu an, die Vereinigung mit ihr anzustreben:

Si igitur uti rationis participes sumus, ita divinae iudicum mentis habere possemus, sicut imaginationem sensumque rationi cedere oportere iudicavimus, sic divinae sese menti humanam submittere rationem iustissimum censeremus. Quare in illius summae intelligentiae cacumen, si possumus, erigamur.[31]

Insgesamt läßt sich damit in Bezug auf die boethianische Methodendiskussion und ihre Aufnahme bei Gundissalinus festhalten, daß die durch den Wechsel von „intellectualiter“ zu „intelligentialiter“ eingeführte ‚Korrektur’ nicht bloß begrifflich bleibt, sondern der Ausdruck – und vermutlich auch der Ausgangspunkt – einer rigorosen Restrukturierung der boethianischen Erkenntnistheorie ist. Nach ihrer Behandlung durch Gundissalinus stellt sich Boethius’ Erkenntnistheorie, die für Chartreser Autoren wie Thierry und Clarembald in verschiedener Hinsicht problematisch war, auf systematische und konsistente Weise dar: Jede einzelne der Methoden der Wissenschaften gründet in einem der Seelenvermögen, welche ihrerseits klar voneinander geschieden sind.

4. „Intellectus“ und „intelligentia“ in den Übersetzungen des Gundissalinus

Bislang ist das Problem der boethianischen Methodologie der Wissenschaften und ihrer Rezeption bei Gundissalinus erörtert worden; zum Abschluß sollen nun die Konsequenzen dieser Rezeption für die Übernahme und Integration der arabischen Philosophie untersucht werden. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß Gundissalinus gemeinsam mit Avendauth an die zwanzig Werke arabisch-jüdischer Denker ins Lateinische übersetzte, von denen ein Großteil erkenntnistheoretischen Fragen gewidmet war, deren Komplexität den lateinischen Autoren fremd war.[32] So gilt es in den erkenntnistheoretischen Schriften des Alexander von Aphrodisias (ins Arabische übersetzt), des al-Kindi, des al-Farabi und des Avicenna eine Vielzahl unterschiedlicher Bedeutungen des Wortes ‘aql, das den griechischen nous übersetzt, auseinanderzuhalten, die durch entsprechende Zusätze gekennzeichnet werden: der verwirklichte Intellekt, der mögliche Intellekt, der erworbene Intellekt, der materiale Intellekt und der tätige Intellekt. Während sich die vier ersten dieser Begriffe auf die menschliche Seele beziehen, wird der tätige Intellekt als vom Menschen losgelöst betrachtet, insofern als er allererst die Bedingung für den Übergang des möglichen zum verwirklichten Intellekt (des Menschen) darstellt. Zugleich ist der tätige Intellekt bezeichnenderweise für die arabischen Autoren, wie z.B. Avicenna, von Gott unterschieden.[33] Trotz dieser großen Bedeutungsunterschiede sind alle Intellekte unter dem einen Konzept des ‘aql begriffen.[34]

In den von Gundissalinus angefertigten lateinischen Übersetzungen läßt sich dagegen eine Aufspaltung dieses Begriffs beobachten, so z.B. in dem folgenden Passus aus seiner Übertragung des Liber de anima seu sextus de naturalibus von Avicenna:

[...] anima rationalis cum coniungitur formis aliquo modo coniunctionis, aptatur ut contingant in ea ex luce intelligentiae agentis ipsae formae nudae ab omni permixtione. Primum autem quod percipit de eis humanus intellectus est id quod de eis est essentiale et accidentale.[35]

In diesem Abschnitt wird der tätige Intellekt, al-’aql al-fa’al, mit „intelligentia“ wiedergegeben, womit seinem Vorrang den anderen Intellekten gegenüber, die als „intellectus“ übersetzt werden, Rechenschaft getragen wird. Wie Jean Jolivet bemerkt hat, handelt es sich dabei jedoch nicht um eine reine Zufälligkeit, vielmehr gilt: „Cette traduction [...] utilise les mots ‚intelligence’ et ‚intellect’ d’une façon parfaitement régulière et précise. Le premier désigne toujours l’agent de la connaissance intellectuel [...] Quant au mot intellect, la traduction latine l’emploie quand il est question de ce qui est intellectuel dans l’âme humaine.“[36]

Damit ist die Unterscheidung von „intelligentia“ und „intellectus“, die Gundissalinus ausgehend vom boethianischen Text entwickelt, auf Avicenna übertragen. Für die Rezeption der arabischen Philosophie bedeutet dies, daß einer ihrer charakteristischsten Züge verlorengeht: Während diese eine klare Unterscheidung von tätigem Intellekt und Gott behauptet, identifiziert Gundissalinus beide durch seine Übersetzung des tätigen Intellekts als „intelligentia“, insofern nämlich als für ihn, wie gezeigt wurde, die „intelligentia“ göttlich ist. Diese Modifikation der Lehre Avicennas hat Étienne Gilson dazu veranlaßt, mit Blick auf Gundissalinus von einem „augustinisme avicennisant“[37] zu sprechen – eine äußerst streitbare Charakterisierung.[38] Es ist dies nicht der Ort, um einen Gemeinplatz durch den nächsten zu ersetzen, will man jedoch einen präzisen und brauchbaren Titel finden, um in wenigen Worten die Philosophie des Dominicus Gundissalinus zu beschreiben, so scheint die Rede von einem „avicennisierenden Boethianismus“ weitaus angemessener. Zu Recht hat Marie-Dominique Chenu das 12. Jahrhundert die aetas boetiana getauft[39]; der Einfluß des Boethius ist in dieser Zeit überall greifbar – viel mehr als der des heiligen Augustin! Und in dieser Hinsicht stellt Dominicus Gundissalinus keine Ausnahme dar.

Wie eingangs erwähnt, sind die Boethius-Zitate in Gundissalinus’ Werk allgegenwärtig; doch imprägniert und formt die Beschäftigung des Archidiakons mit Boethius nicht nur sein Vokabular, vielmehr verlangt ihm die Konfrontation mit den Problemen der eigenen Tradition, hier der boethianischen Methodendiskussion, die Entwicklung eigener Positionen ab. Diese Positionen, in unserem Fall die strenge Trennung von „intelligentia“ und „intellectus“, wirken ihrerseits auf den Übersetzungs- und Transmissionsprozeß ein, so daß die Rezeption und Integration der ‚neuen’ und bis dahin ‚unbekannten’ arabischen Philosophie letztlich in entscheidendem Maße auch durch die eigene christlich-lateinische Tradition und ihre immanenten Probleme konditioniert wird. Die Konsequenzen dieser Konditionierung lassen sich noch beim heiligen Thomas von Aquin ausmachen, der sich – nicht ohne eine gewisse Irritation – auf folgende Weise zum Unterschied von „intelligentia“ und „intellectus“ äußert:

In quibusdam tamen libris de arabico translatis, substantiae separatae, quas nos angelos dicimus, intelligentiae vocantur, forte propter hoc quod huiusmodi substantiae semper actu intelligunt. In libris tamen ex graeco translatis dicuntur intellectus seu mentes.[40]



[1] Dieser Artikel erscheint in spanischer Sprache in der Revista Española de Filosofía Medieval 7 (2000), S. 127-137.

[2] Siehe zur Schule von Toledo u.a. Mariano Brasa Díez, „Métodos y cuestiones filosóficas en la Escuela de Traductores de Toledo“, in: Revista Española de Filosofía Medieval 3 (1996), S. 35-49. Die Existenz eines genuinen Schulzusammenhangs ist für Toledo immer wieder bestritten worden, so zuletzt von Serafín Vegas González, La Escuela de Traductores de Toledo en la Historia del Pensamiento, Toledo, 1997. Für die vorliegenden Ausführungen ist dies jedoch unerheblich; der Begriff der Schule wird hier wie in anderen Fällen, etwa dem der Schule von Chartres, in einem weiteren Sinne gebraucht.

[3] Die Werke des Dominicus Gundissalinus sind an folgenden Orten veröffentlicht worden: De processione mundi, ed. Georg Bülow, in: Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters (= BGPhMa) XXIV, 3, Münster, 1925, S. 1-56; Tractatus de anima, ed. Joseph Thomas Muckle, in: Mediaeval Studies 2 (1940), S. 23-103; De immortalitate animae, ed. Georg Bülow, in: BGPhMa II, 3, Münster, 1897, S. 1-38, übers. ins Span. in Noboru Kinoshita, El pensamiento filosófico de Domingo Gundisalvo, Salamanca, 1988, S. 129-149; De unitate, ed. Manuel Alonso, in: Pensamiento 12 (1956) und 13 (1957), S. 65-78, S. 179-202, S. 431-472 und S. 159-202, davor ed. Paul Correns, in: BGPhMa I, 1, Münster, 1891, S. 1-11, übers. ins Span. in Noboru Kinoshita, op. cit., S. 123-128; De divisione philosophiae, ed. Ludwig Baur, in: BGPhMa IV, 2-3, Münster, 1903, S. 1-141, teilw. übers. ins Engl. in Edward Grant (Hrsg.), A Source Book in Medieval Science, Cambridge (Mass.), 1974, S. 59‑76. – Für eine ausführlichere Würdigung von Leben und Werk des Gundissalinus sowie eine Darstellung des status quaestionis der gegenwärtigen Forschung siehe meinen Artikel s.v. Dominicus Gundissalinus in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon XVII (2000), Sp. 281-286.

[4] Siehe zum Einfluß Isidors auf Gundissalinus meinen Artikel „La recepción de San Isidoro por Domingo Gundisalvo: Astronomía, astrología y medicina“, demnächst in: Estudios Eclesiásticos 76 (2001), wo zu zeigen versucht wird, wie Isidor den Archidiakon sowohl formal als auch inhaltlich mit den notwendigen hermeneutischen Kategorien versieht, um die neuen arabischen Wissenschaften in den tradierten ordo scientiarum einzuordnen.

[5] Manuel Alonso hat eine vollständige Aufstellung der Boethius-Zitate bei Gundissalinus vorgelegt. Vgl. Manuel Alonso, „La influencia de Severino Boecio en las obras y traducciones de Gundisalvo“, in: ders., Temas filosóficos medievales (Ibn Dawud y Gundisalvo), Comillas, Universidad Pontificia, 1959, S. 369-396. Leider beschränkt er sich auf eine reine Aufzählung der Zitate, ohne dabei den Versuch einer Interpretation derselben zu unternehmen.

[6] Siehe zu diesem Manuskript Lisardo Rubio Fernández, Catálogo de los manuscritos clásicos latinos existentes en España, Madrid, 1984. Gleichwohl war es mir bislang nicht möglich, weitere Boethius-Handschriften ausfindig zu machen, die Gundissalinus zur Verfügung gestanden haben könnten. Für seine Unterstützung bei meiner Suche danke ich Ramón Gonzálvez, dem Direktor der Biblioteca Capitular von Toledo.

[7] Bedauerlicherweise fehlt noch immer eine kritische Edition von De trinitate und den übrigen Opuscula sacra. Die ergiebigste Edition ist nach wie vor jene von Rudolf Peiper, Anicii Manlii Severini Boetii Philosophiae consolationis libri quinque accedunt eiusdem atque incertorum Opuscula sacra, Lipsiae, Teubner, 1871. Diese Ausgabe liegt allen neueren Editionen zugrunde und hat gegenüber diesen den Vorteil, daß sie einen kurzen kritischen Apparat bietet, der einige Varianten von Handschriften – größtenteils aus dem deutschsprachigen Raum – versammelt. An neueren Editionen sei verwiesen auf H. F. Stewart, E. K. Rand und S. J. Tester, Boethius: Tractates. The Consolation of Philosophy, Cambridge (Ma.), Loeb, 1918, zahlreiche Nachdrucke, zuletzt 1997. Es wird stets nach beiden Ausgaben zitiert, erstere als Peip., letztere als Stew.

[8] Auf der internationalen Konferenz „Scientia und Disciplina im 12. und 13. Jahrhundert: Wissenstheorie und Wissenschaftspraxis im Wandel“, 3.-4. Dezember 1999, Frankfurt am Main, veranstaltet von Matthias Lutz-Bachmann, Alexander Fidora und Andreas Niederberger, hatte ich Gelegenheit, mich mit dieser Klassifizierung der Wissenschaften nach Objektbereichen auseinanderzusetzen. Mein Beitrag wird unter dem Titel „Die Rezeption der boethianischen Wissenschaftseinteilung bei Dominicus Gundissalinus“ in den Kongreßakten im Akademie Verlag in Berlin 2001 erscheinen.

[9] Boethius, De trinitate, ed. Peip. S. 152, ll. 4-14 / Stew. S. 8, ll. 5-14.

[10] Ibid., ed. Peip. S. 152, ll. 15-18 / Stew. S. 8, ll. 16-18.

[11] Für eine genauere Diskussion der Wissenschaftsklassifikation und ihrer Methoden bei Boethius siehe Siegfried Neumann, Gegenstand und Methode der theoretischen Wissenschaften nach Thomas von Aquin aufgrund der ‚Expositio super librum Boethii De trinitate’, in: BGPhMa XLI, 2, Münster, 1965, S. 36-57.

[12] Gilbert von Poitiers, The Commentaries on Boethius by Gilbert of Poitiers, ed. Nikolaus M. Häring, Toronto, Pontificial Institute, 1966, S. 86-87, nos. 38, 39 und 41.

[13] Für weitere Einzelheiten zu Gilbert und seiner Kommentierung der hier vorgestellten Passagen aus De trinitate siehe Klaus Jacobi, „Natürliches Sprechen – Theoriesprache – Theologische Rede. Die Wissenschaftslehre des Gilbert von Poitiers (ca. 1085-1154)“, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 49 (1995), S. 511-528.

[14] Thierry von Chartres, Commentaries on Boethius by Thierry of Chartres and His School, ed. Nikolaus M. Häring, Toronto, Pontificial Institute, 1971, S. 164, no. 30.

[15] Was das Substantiv „intellectibilitas“ betrifft, so handelt es sich um einen der Schule von Chartres eigentümlichen Neologismus. Vgl. Jacqueline Hamesse, „Un nouveau glossaire des néologismes du latin philosophique“, in: dies. (Hrsg.), Aux origines du lexique philosophique européen. L’influence de la ‚latinitas’, Louvain, Fédération Internationale des Instituts d’Études Médiévales, 1997, S. 237-254, hier S. 249-251. Boethius kennt allein das Substantiv „intellectibilia“ und das entsprechende Adjektiv „intellectibilis“, wie die folgende Passage aus seinem Kommentar zur Isagoge des Porphyrios belegt: „Intellectibile, quod unum atque idem per se in propria semper divinitate consistens, nulli unquam sensibus, sed sola tantum mente intellectuque capitur; secunda vero est pars intellegibilis quae primam intellectibilem cogitatone atque intelligentia comprehendit [...]“ (In Isagoge Porphyrii, ed. Samuel Brandt, Lipsiae, Teubner, 1906, S. 8-9)

[16] Für eine Analyse der Beziehung zwischen „intellectus“, „intellectibilitas“ und „intelligentia“ bei Thierry siehe Peter Dronke, „Thierry of Chartres“, in: ders. (Hrsg.), A History of Twelfth-Century Western Philosophy, Cambridge, University Press, 1988, S. 358-385, besonders S. 365-367.

[17] Clarembald von Arras, Life and Works of Clarembald of Arras. A Twelfth-Century Master of the School of Chartres, ed. Nikolaus M. Häring, Toronto, Pontificial Institute, 1965, S. 113-114, nos. 17-19.

[18] Dementsprechend stimme ich nicht mit Wilhelm Jansen überein, der in seiner Thierry-Interpretation kategorisch „intellectibilitas“ und Mathematik voneinander trennt: „Sie steht im Dienste der Theologen und bedarf keines Organes. Eine mira singularitas vor den übrigen Seelenkräften. An Subtilität übertrifft diese Erkenntniskraft in ihren Erwägungen die abstrakte mathematica consideratio.“ (Clarembald von Arras, Der Kommentar des Clarenbaldus von Arras zu BoethiusDe trinitate’, ed. Wilhelm Jansen, Breslau, Müller und Seifert, 1926, S. 55)

[19] Für die bibliographischen Angaben siehe Anm. 3. Zitiert wird nach der Ausgabe von Georg Bülow.

[20] Vgl. zur Auslegung dieses Verses bei einigen von Gundissalinus’ Zeitgenossen, insbesondere bei Peter Abaelard, meinen Artikel „Die Verse Römerbrief 1, 19ff. im Verständnis Abaelards“, in: Patristica et Mediaevalia 21 (2000), S. 76-88. In Bezug auf Gundissalinus fehlt eine nähere Untersuchung zu seinem Umgang mit der Heiligen Schrift, die für ein besseres Verständnis der Übernahme und Integration der arabischen Kultur in seinen Werken von großem Interesse wäre. Einige Hinweise auf die Rolle der Bibel in Toledo gibt Klaus Reinhardt, „Bible et culture à l’époque de la reconquête de Tolède“, in: Jacques Huré (Hrsg.), Tolède (1085-1985). Des traductions médiévales au mythe littéraire, Paris, Guy Trédaniel, 1985, S. 135-145.

[21] Dominicus Gundissalinus, De processione mundi, ed. cit., S. 2, ll. 13-14.

[22] Wiederholt ist Gundissalinus als mediokrer Kompilator bezeichnet worden, dessen Werke sich in der Anhäufung diverser Zitate verschiedener Autoren erschöpfen, sowohl arabischer als auch lateinischer, welche zudem oftmals miteinander unvereinbar zu sein scheinen. Gleichwohl erweist sich bei genauerer Lektüre, daß Gundissalinus seine Referenzautoren nicht nur zitiert, sondern – wie im vorliegenden Fall – kreativ modifiziert. Dies gilt auch für Gundissalinus’ Darstellung der boethianischen Klassifikation der Wissenschaften nach Objektbereichen, bei der Gundissalinus die Definition der Mathematik und ihrer Gegenstände von „sine motu inabstracta“ zu „abstracta et cum motu“ verwandelt. Vgl. seinen Traktat De divisione philosophiae, ed. cit., S. 15, l. 8, sowie meinen in Anm. 8 erwähnten Artikel hierzu.

[23] Dominicus Gundissalinus, De processione mundi, ed. cit., S. 2, ll. 14-19.

[24] Die wechselseitige Dependenz der Chartreser und Toledaner Autoren ist ein strittiges Thema: Bereits Richard McKeon, „Rhetoric in the Middle Ages“, in: Speculum 17 (1942), S. 1-32, hier S. 17, hat zwar auf Ähnlichkeiten zwischen der Behandlung der Rhetorik in Gundissalinus’ De divisione philosophiae und in Thierrys Kommentar des ciceronischen De inventione hingewiesen, doch trifft er keine Aussage zur Priorität eines der beiden. Nikolaus Häring, „Thierry of Chartres and Gundissalinus“, in: Mediaeval Studies 26 (1964), S. 271-286, entscheidet die Frage zu Gundissalinus’ Gunsten. Miguel Cruz Hernández hingegen tendiert in seinem Prolog zu Noboru Kinoshita, op. cit., S. 19, zur Priorität Thierrys. Da De processione mundi als ein spätes Werk des Archidiakons von Cuéllar gelten muß, wird man von einer Beeinflussung des Gundissalinus durch Thierry ausgehen müssen.

[25] Dominicus Gundissalinus, De processione mundi, ed. cit., S. 3, ll. 1-4.

[26] Ibid., S. 3, ll. 8-10.

[27] Die Worte „paucorum admodum hominum“ konnten in Boethius’ Werken nicht lokalisiert werden. Gleichwohl gibt es weitere Textzeugen, die diese Wendung Boethius zuschreiben, z.B. der anonyme Liber de spiritu et anima, PL 40, col. 808, sowie Peter Abaelard in seiner Logica ingredientibus, ed. Bernhard Geyer, in: BGPhMa XXI, Münster, 1919, S. 330-331. Clarembald bringt diese Formulierung in seinem Kommentar zu Boethius’ De trinitate, ed. cit., S. 109, no. 8, mit Calcidius’ Übersetzung des Timaeus 51E in Verbindung. Siehe Timaeus a Calcidio translatus commentarioque instructus, ed. J. H. Waszink, Londoni et Leidae, Warburg Institute und Brill, 1962, S. 51.

[28] Dominicus Gundissalinus, Tractatus de anima, ed. cit., S. 99, ll. 1-5.

[29] Ibid., S. 99, ll. 22-25.

[30] Boethius, Consolatio philosophiae, ed. Peip. S. 134, ll. 82-87 / Stew. S. 410, ll. 86-91.

[31] Ibid., ed. Peip. S. 138, ll. 44-49 / Stew. S. 418, ll. 46-52.

[32] Zu diesen Übersetzungen zählen u.a. folgende: Alexander von Aphrodisias, De intellectu et intellecto, ed. Gabriel Théry, in: ders., Autour du décret de 1210: II. Alexandre d’Aphrodise, Kain, Desclée, 1926, S. 68-83; al-Kindi, De intellectu, ed. Jean Jolivet, Leiden, Brill, 1971; al-Farabi, De intellectu et intellecto, ed. Étienne Gilson, in: Archives d’Histoire doctrinale et littéraire du Moyen Âge 4 (1929), S. 115-141; Avicenna, Liber de anima seu sextus de naturalibus, 2 Bde., ed. Simone van Riet, Louvain und Leiden, Peeters und Brill, 1968 und 1972.

[33] Siehe zur Intellekttheorie z.B. Rafael Ramón Guerrero, „¿Qué es filosofía en la cultura árabe?“, in: Jan A. Aertsen und Andreas Speer (Hrsg.), Was ist Philosophie im Mittelalter?, in: Miscellanea Mediaevalia 26, Berlin und New York, de Gruyter, 1998, S. 257-270, hier S. 267-268.

[34] Ich folge Henri Hugonnard-Roche, „La tradition syro-arabe et la formation du vocabulaire philosophique latin“, in: Jacqueline Hamesse (Hrsg.), op. cit., S. 59-80, hier S. 76-77.

[35] Avicenna, op. cit., Bd. I, S. 128, ll. 61-65.

[36] Vgl. seinen für diese Erörterungen grundlegenden Artikel „Intellect et intelligence. Note sur la tradition arabo-latine des XIIe et XIIIe siècles“, in: S. Hossein Nasr (Hrsg.), Mélanges offerts a Henry Corbin, Teheran, 1977, S. 681-702, hier S. 689.

[37] Vgl. Étienne Gilson, „Les sources gréco-arabes de l’augustinisme avicennisant“, in: Archives d’Histoire doctrinale et littéraire de Moyen Âge 4 (1929-1930), S. 5-149, hier S. 85.

[38] So v.a. von Miguel Cruz Hernández; vgl. z.B. seinen Prolog zu Noboru Kinoshita, op. cit., S. 15-16.

[39] Vgl. das sechste Kapitel von Marie-Dominique Chenu, La théologie au XIIe siècle, Paris, Vrin, 1957.

[40] Thomas von Aquin, Summa theologiae, Ia, q. 79, art. 10, resp.